Scheideweg am Stelvio

Als Ivan Basso im vergangenen Herbst seine Absicht erklärte, einen dritten Giro-Titel anzustreben, zeichnete sich nicht nur ein interner Machtkampf mit seinem Liquigas-Teamkollegen Vincenzo Nibali ab. Auch ein ganz spezieller Anstieg könnte seinem Vorhaben im Weg stehen: Der Passo dello Stelvio ist Italiens großartigster Bergpass und der erste, den Basso je mit dem Rad hochfuhr. Außerdem wird er aller Wahrscheinlichkeit nach den Ausgang des Giro entscheiden.

 

Basso behält das Jahr 1986 nicht wegen Greg LeMond und der Tour de France oder gar Roberto Visentini und des Giro d’Italia in Erinnerung. Der acht Jahre alte Ivan war, wie seine 34 Jahre alte Version heute sagt, „schon komplett in alles vernarrt und von allem besessen, was mit Radsport zu tun hatte“. Doch die erhebendsten Stunden jenes Jahres verbrachte er nicht damit, seine Helden im Fernsehen zu bewundern, sondern damit, die Westflanke des Passo dello Stelvio hinaufzustiefeln. Wie jedes Jahr waren die Bassos von ihrem Haus in Cassano Magnago zu ihrer Wohnung in Tirano gefahren – der Stadt, die unweit des Stelvio im Valtellina und ein paar Kilometer südwestlich des (zumindest von Radprofis) damals noch unerforschten Mortirolo liegt. Eines Tages hatte der acht Jahre alte Ivan hoffnungsvoll zu seinem Vater hochgeschaut, und der hatte genickt: Ja, er könne es nun versuchen, die Zeit sei gekommen. Die Vorfreude ließ Ivans Herz schneller klopfen und seine Knie zittern.

Die „klassische“ Seite des Stilfser Jochs ist die andere, der Anstieg von Ponte di Stelvio. Einer der größten Connaisseure der Alpenpässe, der Engländer Hugh Merrick, fand, es sei die schönste Strecke im ganzen Gebirge, nicht nur eine der höchsten (nur der Col de l’Iseran überragt ihn um zwölf Meter). „Nirgendwo in all diesen verschiedenen Siegen über die Vertikalität gibt es – allein schon unter baulichen Gesichtspunkten – so etwas Sensationelles wie die verzweifelte Bezwingung der Nordwand des Stelvio über eine Straße“, schrieb Merrick 1958. „Einen Steinwurf entfernt von der gewaltigen Erhebung der Berge und Gletscher, die seine heroischen Maßwerke dominiert, ist die Wirkung überwältigend. Die meisten großen Pässe haben ihre individuelle und unterschiedliche Glorie der Baukunst und der landschaftlichen Schönheit. Für mich hat der Stelvio alles, was jeder von ihnen hat, und mehr als sie alle zusammen.“

Der acht Jahre alte Basso war sich dessen gar nicht bewusst, und selbst wenn, wäre es ihm wohl egal gewesen. Außerdem – wie das mit hässlichen Zwillingsbrüdern so ist – ist der Anstieg über Bormio der beste, den man sich wünschen konnte, eine fast ebenso ehrfurchtgebietende Treppe in den Radsporthimmel. Der kleine Ivan zog sich das blauweiße Trikot seines Vereins Gruppo San Pietro an, setzte sich seinen weißen Brancale-Helm auf, sprang auf sein Moser-Rennrad und begann seine Odyssee.

„Von dem Tag habe ich noch das Foto, aber leider nicht allzu viele Erinnerungen“, sagt er heute. Als am Tag nach der Lombardei-Rundfahrt der Vorhang aufging und die Strecke des Giro 2012 enthüllt wurde, spürte Basso trotzdem einen Schauer. Da war er, der Anstieg von Bormio aus, der als spektakuläres Finale der vorletzten Etappe dienen wird. Und schon war die Rede von einem dritten Giro-Titel, der seine Karriere krönen würde. Unser Treffen mit Basso war für Anfang März bei Paris-Nizza geplant, aber er war auf der 2. Etappe gestürzt und hatte sich das Knie geprellt, war also nicht in Plauderstimmung. Als Procycling in Frankreich ankam, war Basso noch im Rennen, aber sowohl er als auch Liquigas waren angespannt – seine Saison fing schlecht an und war im Begriff, mit seiner Aufgabe auf der 6. Etappe noch verkorkster zu werden. Wir machen das Interview eine Woche später, sagten sie, wenn es ihm wieder gut geht.

So sprach Basso 14 Tage später mit uns auf dem Teide-Vulkan auf Teneriffa und hörte sich so kleinlaut an, wie er bei Paris-Nizza ausgesehen hatte. In den zwei Wochen hatte Basso seine Serie aufrechterhalten, kein Rennen zu Ende zu fahren, an dem er 2012 teilgenommen hatte. Nach dem GP Lugano, der Trofeo Laigueglia und Paris-Nizza kam sein vierter vorzeitiger Ausstieg bei der Volta a Catalunya – nach einem weiteren Sturz auf das Knie auf der 3. Etappe. „Ich habe es noch niemandem erzählt, aber ich werde den Giro nicht fahren, wenn ich nicht gut sein kann“, vertraute er uns mit fast zitternder Stimme an. „Ich mache hier dieses Höhentrainingslager, nur um zu versuchen, wieder voll fit zu werden; ich bin nicht hier, um mich auf den Giro vorzubereiten. Ich will nicht noch einmal eine große Rundfahrt, wie letztes Jahr die Tour de France, fahren, wenn ich nicht bereit bin. Ich versuche hier, mir den Weg zurückzuebnen, dann fahre ich hoffentlich den Giro del Trentino, dann die Tour de Romandie, und dann kann ich hoffentlich eine Entscheidung treffen. Wenn ich nicht glaube, dass ich gewinnen kann, werde ich nicht teilnehmen.“

Kein Giro würde natürlich kein Stelvio bedeuten, was vielleicht nicht schlecht wäre, wenn man nach Bassos letzter Begegnung mit dem „heiligen Berg“ des Giro – wie einige ihn nennen – gehen kann. 2004 war Basso zu Bjarne Riis und CSC gekommen, Dritter der Tour de France geworden und hatte die Verwandlung begonnen, die er abgeschlossen zu haben schien, als er auf der 7. Etappe des Giro 2005 bei einem komplett flachen Zeitfahren in der Toskana Zweiter hinter David Zabriskie wurde.

Vorher hatte Basso gegen die Uhr ungefähr so viele Fortschritte gemacht wie Andy Schleck heute. Da wir wissen, was wir heute wissen (und vor allem, dass Bassos Leistungen gegen die Uhr wieder absackten, seit er Ende 2008 von einer Dopingsperre zurückkehrte), markiert dieses Resultat in Pistoia vielleicht einen unwillkommenen Wendepunkt in seiner Karriere. Wobei Basso freilich nie von seinem verspäteten Geständnis von 2007 abgewichen ist, dass er 2006 mit Hilfe des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes Doping beabsichtigt, aber nie in die Tat umgesetzt habe.

Nach einem Tag in den Dolomiten trug Basso 2005 die Maglia Rosa. Er hatte den Shootingstar der Vorjahres-Auflage, Damiano Cunego, in Zoldo Alto vernichtend geschlagen und schien bei dem Rennen einen Gang mehr zur Verfügung zu haben als jeder andere. Doch dann, am zweiten Tag in den Bergen, passierte etwas Merkwürdiges: Sechs Kilometer vor der Ziellinie in Ortisei (St. Ulrich) brach Basso ein. Er verlor eine Minute auf seine ärgsten Rivalen im Gesamtklassement und das Rosa Trikot an Paolo Savoldelli, und was noch alarmierender war. Basso beendete die Etappe mit Magenbeschwerden und Durchfall.

Der Stelvio, der aus dem Profil der nächsten Etappe wie ein Säbelzahn herausragte, hätte zu keiner ungünstigeren Zeit kommen können. „Ich hatte Angst an dem Morgen. Ich wusste, dass es schrecklich werden würde“, gibt Basso heute zu. Trotzdem dachte oder hoffte er wenigstens, es noch packen zu können – frei nach dem Motto der Kriegskunst des Sun-Tzu: „Stell dich schwach, wenn du stark bist, und stark, wenn du schwach bist.“ In Ponte di Stelvio, auf der ungewohnten Seite des Passes, war er immer noch von Teamkollegen umgeben. „Ich spürte, dass ich schon keine Kraft mehr in den Beinen hatte, deswegen fing ich an, zu viel zu essen“, erinnert er sich. Als die Straße sich aus Ponte di Stelvio heraus und in Richtung Gomagoi schlängelte, waren Fahrer, die Basso bis vor ein paar Stunden als Mitfavoriten für den Giro-Titel betrachtet hatte, im Nebel entschwunden. Alles was Basso sehen konnte, war „das Hinterrad des Teamkollegen vor mir, wer auch immer das gerade war“.

Die Etappe entwickelte sich, so Basso, „zum qualvollsten Tag, den ich je auf dem Rad erlebt habe“, einer Tortur unglaublichen Ausmaßes. Es war dazu ein großer und sehr nachdrücklicher Sargnagel für seine Hoffnungen auf das Rosa Trikot: Die Anzeigetafel an der Ziellinie in Livigno wies einen Rückstand von 42 Minuten auf den Etappensieger Ivan Parra auf. Als sie sahen, wie er sich auf dem Weg zum Gipfel abmühte und auf der vertrauten Straße nach Bormio sogar anhielt, drängten Riis und einige von Bassos Teamkollegen ihn sogar zum Ausstieg. „Nein, ich fahre die Etappe zu Ende“, sagte er ihnen. Nein, ich fahre ins Ziel und werde noch Etappen gewinnen, bevor dieser Giro vorbei ist, dachte er. Und natürlich war er vier Tage später wieder in Bestform und gewann überzeugend in Limone Piemonte.

„Es war schön“, ist Bassos anderer, zunächst erstaunlicher Kommentar zu dem, was auf dem Tag auf dem Stelvio passierte, 19 Jahre nach seiner Jungfernfahrt auf den Gipfel. „Es war schön, weil es die Art von Geschichte ist, die Legenden im Radsport geschaffen hat. Es war auch eine Situation, aus der ich mich gerne befreie. Ich war ein paar Mal ziemlich unten und habe mich wieder zurückgekämpft. Es ist eine Art roter Faden in meiner Karriere. Und es ist ähnlich wie im Moment.“

 

Zwar lobten die Italiener damals seine Tapferkeit, doch nicht allzu viele feierten Bassos Courage, als sie erfuhren, in welche Gesellschaft er sich bei seinen Reisen nach Madrid 2006 begeben hatte. Als die Tatsachen ans Licht kamen, gab es auch gleich Verschwörungstheorien darüber, was 2005 auf dem Stelvio wirklich passiert war. Eine Bluttransfusion müsse schiefgegangen sein, folgerten die Hobby-Detektive – zumindest insofern unfair, als eine Magenverstimmung durch fast alles ausgelöst werden kann. Unterdessen blieb und bleibt Bassos Version unverändert: Er habe weder 2005 betrogen noch ein Jahr später, als er keinen schwarzen Tag hatte und das Rennen dominierte.

Nein – wie Basso sagte, ist die Legende alles, was von jenem Tag übrig blieb – mit all den Mysterien, die dazugehören. Seit er Ende 2008 von seiner zweijährigen Sperre zurückkehrte, hat Basso einen weiteren Giro-Titel gewonnen und seine Glaubwürdigkeit so weit wiederhergestellt, dass – zu Recht oder zu Unrecht – seine früheren Sünden kaum noch erwähnt werden. Es überrascht nicht, dass er sich nicht gerne mit der Vergangenheit beschäftigt. „Ich hab’s nicht so mit der Nostalgie“, sagt er. „Mein Leben ist meine Gegenwart und meine Zukunft. Jetzt habe ich gerade eine schwere Zeit, aber letztendlich wird sich alles lösen.“

Die Frage für Basso ist: Tut es das wirklich? Wenn das Giro-Peloton nach Bormio rollt und den Anstieg hochklettert, „den ich besser als jeden anderen kenne, sogar noch besser als den Sacramonte di Varese, der gleich bei mir um die Ecke ist“, kann er, wird er noch im Rennen um den Titel sein? Genauer gesagt, wird er angesichts der derzeitigen Umstände überhaupt den Giro fahren, mit oder ohne Nibali als Co-Kapitän? Und wenn er nicht startet und stattdessen die Tour ins Visier nimmt, kann er irgendetwas tun, um besser auszusehen als 2011, als er auf dem Kurs herumkrebste und auf einem anonymen achten Platz landete?

Trösten kann sich Basso vielleicht mit der Tatsache, dass Cadel Evans, fast ein Jahr älter als Basso, amtierender Tour-de-France-Champion ist. Chris Horner ist 40 und steigert sich bei Etappenrennen immer noch. Horners Geheimnis, sagte sein früherer Teamkollege Marco Pinotti Procycling im letzten Jahr, sei, dass er als Veteran immer noch so erfolgshungrig wäre wie ein Debütant.

Basso sagte letztes Jahr, er wolle auch mit 40 Jahren noch Rennen fahren. Seine derzeitige missliche Lage macht ihn bescheidener – er sagt nur, dass er nicht vorhat, seine Karriere in nächster Zeit zu beenden und sich keine Frist setzen will, doch er versichert, immer noch so enthusiastisch zu sein wie früher. So enthusiastisch, wie er war, als er 1986 zum ersten Mal auf den Stelvio kletterte. „Diese Leidenschaft wird mich noch eine ganze Weile antreiben“, sagt Basso. „Ich bin noch immer dieser acht Jahre alte Junge, der den Stelvio hochfuhr – in meinen Beinen, meinem Kopf und meinem Herzen.“
Zu seinen Gunsten sprechen seine Professionalität und Diszipliniertheit, die vielleicht immer seine größten Stärken waren – mehr als gottgegebenes natürliches Talent. Auf Außenstehende und sogar einige Kollegen im Feld mag er steif und zugeknöpft wirken, etwas zu sehr wie der Messdiener in der Gemeinde des Pelotons. Basso rührt keinen Tropfen Alkohol an, behauptet, er bekomme davon Kopfschmerzen und möge den Geschmack nicht. Als er 2007 zu Discovery Channel ging, riet ihm sogar Lance Armstrong, etwas lockerer zu werden, als der Texaner mit der Mannschaft abends ausging und Basso sich ständig Sorgen machte, dass das Training am nächsten Tag unter dem ausgelassenen Abend leiden würde. Basso sagte später, dass er seine Lektion gelernt habe, und heutzutage weiß man von ihm sogar, dass er das Training an Weihnachten ausfallen lässt. Fortschritte vielleicht, aber noch lange kein Rock’n’Roll.

Zwar erscheint es logisch, dass zumindest die asketische Lebensweise es Basso gestatten sollte, etwas länger durchzuhalten, doch das ist keine ausgemachte Sache. Die Kehrseite dieser Gewissenhaftigkeit ist eine Tendenz zum Stress, wenn die Dinge nicht richtig laufen, wie wir im März sehen und hören konnten, und wie es der Fall war, als er letztes Jahr in seiner Vorbereitung auf die Tour stürzte. Auch Bassos Fans machen sich vielleicht Sorgen, wenn er laut darüber nachdenkt, wie er sich in den nächsten Jahren als Fahrer verändern wird. „Du denkst vielleicht, dass dein Körper so ist, wie er war, aber das ist er nicht“, versichert er uns auf Teneriffa. „Du musst dich darauf einstellen, du musst verstehen, dass die jüngeren Fahrer aufholen und manchmal schneller sind als du. Als ich meine Karriere begann, beendete Laurent Jalabert die seine, und ich sah, wie er sich neu erfand, als er älter wurde. Er fuhr 1999 einen fantastischen Giro, dann gewann er zwei Bergtrikots bei der Tour de France, indem er in den Alpen und Pyrenäen diese großen langen Fluchten unternahm. Das inspirierte mich. Und er war nicht der einzige: Viele Champions änderten ihre Lebensweise und ihre Fahrweise, als sie älter wurden.“

Liegt in dieser Antwort schon eine Andeutung von Bassos Zukunft? Er würde nachdrücklich versichern, dass sie keinen Bezug zur Gegenwart hat, so unsicher diese im April auch aussah. Basso kann seine Teilnahme am Giro zwar nicht garantieren, aber das hat ihn nicht daran gehindert, eine geradezu forensische Untersuchung der Strecke vorzunehmen. Er werde bei den Bergankünften in Lago Laceno, Cervinia und Pian dei Resinelli auf seine Hauptrivalen „auf keinen Fall“ genug Zeit herausfahren können, sagt er. Da auf der gewaltigen Dolomitenetappe nach Cortina vor dem Ziel eine schwierige Abfahrt wartet – was nicht seine Stärke ist – bleiben „Alpe di Pampeago und natürlich der Stelvio übrig, wo ich Zeit herausfahren kann“.

Der erste Berg, den er hochkletterte, der Berg, den er am besten kennt, der Berg, wo er als Radrennfahrer wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehren könnte, ist in seinen Augen auch „der schönste Berg der Welt“, erklärt der Italiener.
„Alle Berge sind wichtig, aber es gibt eine kleine Liste von wirklich legendären, und der Stelvio steht an erster Stelle. Auf der Bormio-Seite, wo wir dieses Jahr hochfahren, gibt es Wasserfälle, die kreuz und quer über die Straße fließen, die sich hinter dir aufdröselt wie eine Bindfadenrolle. Auf der anderen Seite ziehen sich die letzten Haarnadelkurven im Zickzack durch diese immense Felswand, was wahrscheinlich die berühmteste Ansicht des Stelvio ist. Was die eigentliche Herausforderung angeht, so ist das, was jeder unterschätzt, die Höhe. Normalerweise merkst du ab 1.800 Metern einen deutlichen Unterschied, ab 2.200 Metern gibt es noch einmal eine spürbare Veränderung. An dem Punkt hast du auf dem Stelvio noch mal sieben oder acht Kilometer zu klettern. Es wird die Hölle, vor allem am Ende der Etappe. Dann ist da das Problem mit dem Wetter: Es kann dort oben im August schneien oder 20 Grad sein. Wer weiß, wie das Wetter im Mai sein wird?“

Genau aus diesem Grund ist der Stelvio beim Giro fast ebenso unsicher wie Bassos Teilnahme. Bei Schnee würde die Ziellinie entweder weiter nach unten verlegt oder ganz von dem Berg entfernt – und die Etappe damit ihres Höhepunkts beraubt. Nimmt der zweifache Giro-Sieger doch teil, wäre es in Anbetracht dessen, was wir über Bassos Repertoire wissen, sehr in seinem sportlichen und sentimentalen Interesse, wenn das Wetter gut bliebe.Egal, was er sich in der Vergangenheit hat zu Schulden kommen lassen, ein weiterer Sieg würde Basso aus dem „Sehr-gut-Bereich“ in den der großen Giro-Champions erheben, in den Reigen der Dreifach-Sieger -Giovanni Brunero, Fiorenzo Magni, Gino Bartali, Felice Gimondi und Bernard Hinault. Nur drei Fahrer haben ihn öfter gewonnen, die fünffachen Champions Eddy Merckx, Fausto Coppi und Alfredo Binda – in Sachen Giro und große Landesrundfahrten also die Crème de la Crème.

Im Moment scheint diese Gesellschaft ein bisschen zu erlesen für Basso, falls er uns keines Besseren belehrt. Was ihn angeht, ist es auch viel zu früh, um Schlüsse zu ziehen und von einem Vermächtnis zu sprechen, selbst wenn es nicht ganz stimmt, dass er sich noch keine Gedanken über seinen „Ruhestand“ gemacht hat. Für seine Zukunft hat er auf eine für einen Sportler unorthodoxe Weise vorgesorgt: Basso hat in der Nähe seines Hauses in Cassano Magnago drei Hektar Land gekauft, das in drei Jahren eine funktionierende und produzierende Blaubeer-Farm sein wird. „Diese Arbeit haben schon meine Vorfahren gemacht – das Land in unserer Gegend war anscheinend immer gut, um Blaubeeren zu züchten“, erklärt er. „Die Wirtschaftskrise in Italien ist so schlimm, dass ich eine kleine Investition machen wollte, die auch Arbeitsplätze für die Leute in der Gegend schafft. Schließlich werden wir rund 6.700 kg pro Jahr erzeugen. Es ist ein Wagnis, aber es ist die Art von Herausforderung, die ich mag. Ich weiß noch nicht, ob ich es hauptberuflich mache, wenn ich meine Karriere beendet habe – es könnte sein, dass [Liquigas-Manager] Roberto Amadio Pläne für mich hat –, aber es wird eine meiner Beschäftigungen.“

Auf diese unkonventionelle Art endet die Diskussion, wobei beide Parteien unsicher sind, was sie in den kommenden Wochen erwartet. Nicht nur wir haben das Gefühl, es sei an der Zeit, dass Basso über eine Metamorphose à la Jalabert nachdenkt. Auf der anderen Seite: Wenn Evans es mit 34 noch draufhat, warum dann nicht auch Basso, zumal in einem Giro-Feld, dem es an Star-Qualität mangelt, und auf einem Kurs, den das neue Management bei RCS Sport als Neuauflage des Rennens von 2010 abgesteckt hat, das er gewonnen hat. Es ist nicht zu bestreiten, dass der Gipfel des Stelvio der perfekte Ort für Basso wäre, um den Höhepunkt seines Könnens zu erreichen, wenn sich der großartigste italienische Bergpass wie die Wechselfälle seines Lebens und seiner Karriere unter seinen Reifen dahinschlängelt.



Cover Procycling Ausgabe 99

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 99.

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