König Kristoff

Er war der erfolgreichste Fahrer des Jahres und gewann unglaubliche 20 Rennen, darunter ein Monument. Doch viele glauben, dass Alexander Kristoff noch mehr hätte erreichen können – und es in Zukunft sicher tun wird.

 

Alexander Kristoff war der erfolgreichste Fahrer des Jahres und feierte 20 Siege. Beeindruckend. Die Erfolge kamen gehäuft zu Beginn der Saison. In Katar und Oman gewann er vier Etappen; bei einem achttägigen Beutezug bei den belgischen Klassikern sprangen sechs Siege heraus, darunter sein größter – die Flandern-Rundfahrt. Bei seinen Heimspielen, der Tour of Norway und der Tour des Fjords im Mai, gewann er weitere fünf Etappen. Zwei weitere Siege in der Schweiz schienen gute Vorzeichen für die Tour de France zu sein, aber dann wurden die Erfolge spärlicher. Seine bisherige Tour-Bilanz von zwei Etappensiegen konnte er nicht ausbauen. Im August gewann er ein Teilstück des Arctic Race of Norway und den GP Plouay, aber das war sein letzter Sieg in der Saison. Bei der WM in Richmond fuhr er knapp am Podium vorbei. Und wenngleich sie einige solide Resultate enthält – je eine Etappe von Paris – Nizza und der Tour de Suisse sowie natürlich die Flandern-Rundfahrt und Plouay –, war die Gesamtsumme seiner World-Tour-Siege vier. Aber auch wenn Kristoff nicht so glänzte wie zu Beginn der Saison, blieb die Siegesrate des Katusha-Fahrers die beste im Profi-Peloton: Er fuhr 82 Renntage, was einem Sieg alle vier Tage entspricht. Procycling fragt, was die Qualität und Quantität der Siege für das Team, für junge Fahrer in Norwegen und für Radsportfans im Allgemeinen bedeutet.

Viacheslav Ekimov
Katusha-Teamchef
Er hätte nicht dieselben Gelegenheiten bekommen, wenn er nicht bei Katusha wäre.
Seit zwei Jahren erzielt er große Resultate bei den Klassikern. Letztes Jahr war es Mailand – San Remo und dieses Jahr ist es die Flandern-Rundfahrt. Wir hoffen, dass es nächstes Jahr so weitergeht. Ich persönlich bin froh, dass Alexander sich in dem Team zu Hause fühlt. Ich habe mit unseren Sponsoren gesprochen und es ist klar, dass sie seine Beständigkeit und sein professionelles Image schätzen. Er ist ein echter Botschafter für das Team – ein geborener Sieger. Er hatte die Support-Gruppe, aber es ist nicht schwer, mit ihm zu arbeiten – er ist nicht wie ein Superstar oder Champion, den alle hofieren müssen. Er ist sehr zugänglich und sehr vernünftig, und das mögen wir sehr.
[Über die Vertragsverlängerung mit Kristoff bis Ende 2016] Es geht bei der Verhandlung um zwei Dinge: den finanziellen Aspekt und die Möglichkeiten, die er bei uns hat. Einige der anderen Teams haben ihm viel mehr Geld geboten, aber dort hätte er nicht dieselben Chancen und dieselbe Unterstützung wie bei Katusha. Nächstes Jahr ist das große Ziel [für Kristoff] die Weltmeisterschaft in Katar, wo wir mit einem Massensprint rechnen. Und natürlich wird es ein ähnliches Rennprogramm geben – der Fokus wird wieder auf den Kopfsteinpflaster-Klassikern, der Tour de France und dann der Weltmeisterschaft liegen.

Peter Samoy
Mitbegründer von cqranking.com
Kristoffs Siegesrate war beeindruckend, aber er hat viele kleinere Rennen gewonnen.
Was mir auffiel, als ich mir seine Resultate angeschaut habe, war, dass er sich bei den Frühjahrsklassikern und später in der Saison beim GP Plouay besonders hervorgetan hat. Seine Leistung bei der Tour de France war … Nun ja, er hat daran teilgenommen, aber nicht viel mehr. Ich will den Wert seiner Siege nicht schmälern, aber Alexander hat viele Rennen gewonnen, wo der Wettbewerb nicht auf höchstem Niveau war. Aber trotzdem – wie er die Flandern-Rundfahrt dominiert hat, wo er so im Fokus stand, war etwas Besonderes. Die belgische Öffentlichkeit war beeindruckt von seiner Leistung und mochte es, wie offen er in den Medien war. Ich persönlich sehe ihn auf einer Stufe mit Peter Sagan, vielleicht sogar ein bisschen über ihm, weil ich persönlich finde, dass Sagan bei den Frühjahrsklassikern versagt hat. In Kristoffs Saison gab es mehr Höhepunkte und er war beständiger.

Gino Van Oudenhove
Teamchef der norwegischen Continental-Truppe Team Joker
Kristoff ist ein tolles Vorbild für den norwegischen Nachwuchs.
Alex ist ein Produkt des norwegischen Radsports und der hiesigen Szene. Die Radsport-Community ist nicht sehr groß, jeder kennt jeden. Es ist leicht, ihm zu folgen, und er ist ein Vorbild für sie alle. Er ist ein Botschafter aufgrund der Art, wie er Rennen fährt und in den Medien präsent ist. Er ist geradeaus, sagt, wie es ist, und wie er Rennen gewinnt, ist etwas Besonderes. Wenn du Nikki Terpstra bei der Flandern-Rundfahrt fünf Kilometer vor der Ziellinie sagst, dass ein zweiter Platz doch auch gut ist, hast du wirklich Schneid. Aber wir haben hier das sogenannte Jante-Gesetz, das besagt, dass man nicht zeigen soll, wie gut man ist, und nicht prahlen oder angeben soll. Kristoff versteht das. Im Skilanglauf haben wir Petter Northug, der populärer ist, weil er eine Persönlichkeit mit mehr Ecken und Kanten ist, während Alexander mehr der normale Typ ist. Wenn er nicht auf dem Rad sitzt, ist er ein ruhiger Typ, der gerne Zeit mit seiner Familie verbringt, aber auf dem Rad ist er ein Sieger. So mögen wir das hier in Norwegen. Er ist im Begriff, in Norwegen über den Sport hinauszuwachsen. Es begann mit seinen Siegen in Mailand – San Remo, der Tour de France im letzten Jahr und dann dieses Jahr mit der Flandern-Rundfahrt und dass er die meisten Rennen gewonnen hat. Er steht auf einer Ebene mit den großen Stars im Skisport.

Dirk Billiau
Gründer des belgischen Alexander-Kristoff-Fanclubs
Kristoff erinnert mich an Eric Vanderaerden und Tom Steels.
Als wir den Fanclub 2013 gründeten, wussten wohl nur eine Handvoll Leute – Radsport-Insider –, wer Alexander Kristoff war. Aber jetzt weiß jeder Radsportfan, wer er ist, aber trotzdem würden ihn nur eine Handvoll Leute auf der Straße erkennen. Aber hier bei uns in Wervik ist er sehr populär. Persönlich erinnert er mich an Eric Vanderaerden und Tom Steels wegen seines starken Sprints – aber ich glaube nicht, dass Alex so blöd sein wird, im vollen Sprint eine Wasserflasche zu werfen, so wie Tom! Ein ausländischer Rennfahrer, der die Flandern-Rundfahrt gewinnt, ist für immer „Internationaler Flame des Jahres“ [die Auszeichnung von Het Nieuwsblad für den ausländischen Fahrer ging an Peter Sagan]. Bei allem Respekt vor Peter Sagan, dem vielleicht besten Fahrer zurzeit, aber ein Fahrer, der fünf Rennen, darunter die Flandern-Rundfahrt, in einer Saison gewinnt, ist der einzige „Internationale Flame des Jahres“.

 

Marco Haller
Katusha-Teamkollege und Helfer von Kristoff
Egal, wie groß das Rennen, Kristoff will einfach gewinnen.
Ich würde sagen, dass er mit seiner olympischen [Bronze-]Medaille 2012 ein echter Sieger wurde, aber seit er im letzten Jahr Mailand – San Remo gewonnen hat, hat man gespürt, dass das Team ihm wirklich vertraut. Alexander will jedes Rennen gewinnen. Jedes Mal, wenn er an der Startlinie steht, will er gewinnen, und in diesem Jahr war das vielleicht das Problem. Wenn er es nach den Klassikern etwas lockerer hätte angehen lassen, wäre er bei der Tour de France vielleicht besser gewesen. Aber natürlich wollte er vor heimischer Kulisse [bei den Rennen in Norwegen im Mai] gute Ergebnisse holen. Dank seines großen Motors und seiner mentalen Stärke hat er bei der Tour relativ gut abgeschnitten. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Typ in den Medien und demjenigen, der er im Team ist. Er ist wohl der entspannteste Typ im Team und die Mitarbeiter würden auch sagen, dass es leicht ist, mit ihm zu arbeiten, weil er keine Ansprüche stellt. Wenn man sich mit ihm ein Zimmer teilt, gibt es nur eine Regel: Er bekommt den Schreibtisch, damit er seinen Computer aufstellen kann. Er hat eine unglaublich mentale Stärke. Bei Mailand – San Remo bin ich an der Cipressa zurückgefallen und habe gesehen, dass Alex und Cavendish Probleme hatten. Ich habe ihm ein paar Worte gesagt und am Poggio konnte ihn keiner mehr abhängen.

Kurt Asle Arvesen
Norwegischer Ex-Profi, jetzt Sportlicher Leiter beim Team Sky
Er ist stärker als Thor Hushovd.
Was mich an Alex am meisten beeindruckt, ist seine Beständigkeit. Er war das ganze Jahr gut und er kann jederzeit große Rennen gewinnen, wenn es ihm passt. Um ehrlich zu sein, habe ich sein Potenzial nicht erkannt und nicht den Athleten in ihm gesehen, der er jetzt ist. Vor vier oder fünf Jahren war er eher ein Sprinter, aber jetzt ist er viel stärker geworden. So haben wir ihn in Finals wie der Flandern-Rundfahrt gesehen, obwohl die Leute dachten, dass der modifizierte Kurs zu schwer für ihn wäre. Aber er hat hart mit seinem Trainer [seinem Stiefvater Stijn Ørn] gearbeitet und man sieht, dass es sich jetzt bezahlt macht. Stijn sagte, dass er Alex nicht trainiert hat, um gut zu sein, wenn er jung ist, sondern wenn er erwachsen ist. Das ist ihm gelungen. Ich glaube, Alex hat jetzt fast denselben Status wie Thor Hushovd. Körperlich ist er, glaube ich, stärker, als Thor je war, aber natürlich muss er noch mehr erstklassige Rennen gewinnen, vor allem die Weltmeisterschaft, die das Größte im Straßenradsport ist. Ich glaube, noch hat Thor die besseren und wichtigeren Siege als Alex, aber körperlich ist Alex fast so stark wie Hushovd oder sogar besser, deswegen ist es nur eine Frage der Zeit, dass Alex seine Resultate überbietet.



Cover Procycling Ausgabe 143

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 143.

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